Wallfahrtskirche Schildthurn
Schildthurn und die Wallfahrtskirche
Im Jahr 1076 und 1221 wurde der Ort mit „Scitaren“ geschrieben, später „Schilarum“ oder „Schiltarn“. Es wird vermutet, dass anstelle der ursprünglichen Kirche das nun stehende Gotteshaus, ca. 1237, erbaut wurde. Auf Grund seiner Lage (481 m über NN, und somit wesentlich über dem Türkenbachtal gelegen, 403 m NN bei Oberndorf) kann davon ausgegangen werden, dass dieser Bereich schon sehr früh besiedelt wurde. Urkundlich ist der erste Besitzer einer Ansiedlung von Schildthurn im 9. Jahrhundert mit „Aribo und Eberhardus de Skiltaren“ genannt.[1] Im Jahr 1578 wird Schildthurn auch als „Wey Berg“ bezeichnet. „Weih“ ist die ältere Bezeichnung für heilig. Dies spricht für eine damals vielleicht schon lange bestehende Kultstätte.[2]
„Mit zu den ältesten Wallfahrten im Bistum Passau gehört sicher die nach Schildthurn zu den drei heiligen Jungfrauen Einbeth, Wilbeth und Warbeth. Zu Ihnen sind vor allem die kinderlosen Ehefrauen mit ihrem Anliegen um fruchtbare Mutterschaft gepilgert. Wurde ihre Bitte erhört, so stifteten sie wertvolle Wiegen, von denen die Kirchenstiftung heute nur mehr eine einzige silberne Votivgabe besitzt, nachdem die gnadenlose Säkularisation mindestens 30 solcher silberner Wiegen beschlagnahmt und zu Münzen umgeschmolzen hat.[3]
„Es scheint aber, daß der Kult dieser Jungfrauen in Schildthurn noch älter ist und hier bereits vor 1237 ein Gotteshaus stand.“ Siehe „Ostbairischen Grenzmarken“, Anmerkung 220.
Diese früher vielbesuchte Muttergotteswallfahrtskirche wurde vermutlich durch die Grafen von Leonberg[4] im Jahr 1237 im gotischen Stil erbaut und im Jahre 1337 offiziell eingeweiht. Der weit über das Land sichtbare Turm mit seinen 77,70 mtr. wurde 1531 erbaut[5]. Der mit Tuffsteinen verkleidete Turm stellt eine stolze Handwerkerleistung dar. In einem Buch[6]steht: „Der Turm neben dem Schloße scheint zum Zwecke der Verteidigung gegen Angriffe raub- und fehdelustiger Nachbarn aufgeführt. Wann und von welchem Grafen er erbaut wurde, läßt sich nicht ermitteln. Der zu demselben verwendete Tuff kann nur auf der Alz herbeigeschafft worden sein. Die Kirche von Schildthurn, glaubt man, sei aus dem ehemaligen Schloße entstanden. Der schöne und hohe Turm derselben ist durch Ausbau des oben erwähnten Verteidigungsturmes entstanden, worauf die noch vorhandenen vielen Schießscharten an demselben hinweisen.“
Die mit gotischen Türbeschlägen reich geformte Sakristeitür, welche aus der Erbauerzeit der Kirche stammen dürfte.[7]
„Als der Herr von Altenburg (Hirschhorn) Krieg führte 1382 mit Herzog Friedrich, brannte er dem Gotteshaus Schildthurn das Gering-Gut (Lindhuber) zu Pfarrkirchen ab, wurde bestraft bis er sich anher verlobte.[8] Auch dies weist auf die frühe Wallfahrt in Schildthurn hin.
In den mannigfachen Pestperioden in unserem Gebiet wurden wegen der Ansteckungsgefahr von Wallfahrern keine Toten innerhalb der Kirchenmauer beerdigt. Die Pesttoten aus diesem Gebiet wurden entweder im Pestfriedhof in Hempelsberg oder in Gumpersdorf beerdigt.
Diese sehenswerte Kirche wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Barock umgebaut. Der Innenraum war ursprünglich eine 2schiffige spätgotische Kirche. Ein Nachweis hierfür ist heute noch im Westgiebel des Dachraums zu ersehen.
Dass bereits vorher eine Kirche stand, ist unumstritten. Auch das 550jährige Wallfahrtjubiläum im Jahr 1787 deutet darauf hin.
Der heilige Ägidius ist der Kirchenpatron von Schildthurn.
Neben dieser Kirche steht eine Kapelle, die dem hl. Leonhard geweiht ist der seit vielen Jahrhunderten als Schutzheiliger verehrt wird. Erbaut wurde diese Kapelle um 1490. Seit wann der Leonhardiritt durchgeführt wird, ist nicht feststellbar. Auch heute noch kommen am 1. Sonntag im November viele, zum Teil festlich geschmückte Pferde zur Segnung nach Schildthurn. Nach einer kurzen Andacht werden die Pferde innerhalb der Kirchenhofmauer vom Pfarrer gesegnet.
Die Wallfahrtskirche und deren Jubiläumsjahre
Die Kirche soll „im Jahre 1236 zur marianischen Wallfahrtskirche erweitert“ worden sein. Auch im 21. Jahrhundert kommen jährlich noch viele Männer mit ihren Frauen, um diese aus dem Jahr 1868 versilberte Wiege zu berühren und den Kindersegen bei der Gottesmutter zu erbitten.
Diese versilberte Wiege stammt aus der Gold- und Silberschmiedewerkstatt Alois und Franz Steigenberger von Schildthurn. Sie fertigten 1868 diese silberne Wiege an, die in der Saktristei der Kirche aufbewahrt wird.
Die Gläubigen der Stadt Eggenfelden sind in „früherer Zeit mit dem Kreuz gezogen, das heißt gewallfahrtet“. Nachgewiesen ist die „Kirchfahrt am Schauerfreitag (= Freitag nach Christi Himmelfahrt) nach Schildthurn“ im Jahr 1550[9]. Im „Urbarium“ des Dekan Moriz Nagengast aus dem Jahr 1654 steht, dass „jährlich am Sonntag Exaudi (= Herr, meine Stimme = 6. Sonntag nach Ostern) viele „Kreuzvölker“ (Wallfahrer) nach Schildthurn kamen. Weiter schreibt der Verfasser des Urbarium: „Salbuch der würdigen Mess in S. Ägidij, Einbeten Gottshauß zu Schiltorn, so alle Tag täglich gar früe zu halten, und zu verrichten.“ Dieser Aussage nach wurde in Schildthurn täglich eine hl. Messe gelesen.
Viele Jahrhunderte hindurch kommen Wallfahrer aus Obertrum/Österreich (östlich von Tittmoning) nach Schildthurn. Ihre Vorfahren hatten zur Pestzeit gelobt (1659), sie würden jedes Jahr zu der Kirche pilgern, deren Turm sie am entferntesten sehen können, wenn sie von der Pest verschont blieben.
„Von einem hohen Baum aus machte damals ein Bursche den Kirchturm von Schildthurn aus und bald darauf zogen die Leute aus dem Salzburger Land nach Schildthurn“, erstmals im Jahr 1659.
Diese Kerze brachten die Obertrumer Wallfahrer im Jahr 1659 mit. Inschrift der Kerze: „Die ganze Pfarrei von Trum zu Österreich hat die Kerzen machen lassen, Anno 1659. Ex voto.[12]
Sie haben das Versprechen gehalten und alle 100 Jahre (1759, 1859 und 1959) kamen die Wallfahrer aus Obertrum mit einer ca. 1,50 Meter großen Kerze nach Schildthurn. In den letzten Jahrzehnten kommen sie zusätzlich jährlich mit einem Omnibus und bringen ein Pfund Wachs mit.
Im Einvernehmen mit der Kirchenverwaltung Schildthurn wurde am 23. Juni 1858[11] beim kgl. Landgericht Simbach am Inn ein Antrag auf Abhaltung von Warenmärkten gestellt. Nach langwierigem Schriftverkehr ist am 26. März 1866 von der Kgl. Regierung des Innern in Landshut eine endgültige Ablehnung erteilt und begründet mit: „Der Ort Schildthurn ist unbedeutend und weil die Kgl. Regierung gegen die Vermehrung von Warenmärkten ist.“
„Diesem Wallfahrtsbild von 1787 wurde 1837 der Text hinzugefügt: „[Die Heilige Mutter Gottes, Egidius und die drei Jungfrauen aus der Gesellschaft der Heiligen Ursula verleihen wunderbare Gnaden zu Schildthurn in der Pfarrei Zeilarn, K. Lg. Eggenfelden. Zur 600jährigen Jubiläumsfeier, Anno 1837.]“
Dieses Blatt wurde vom Kupferstecher Johann Michael Söckler von München (1744 bis 1778) gestochen.
Im frühen Mittelalter wurden die drei heiligen Jungfrauen, Einbet, Warbet und Wilbet besonders verehrt. Nachgewiesen ist die Verehrung dieser uralten Göttinnen bereits aus dem 14. Jahrhundert. Ein Priester hatte sogar den Versuch unternommen und das Volk aufgefordert, diese Jungfrauen nicht mehr zu verehren. Weil er blind wurde, bereute er diesen Aufruf und forderte daraufhin von der Kanzel zur Verehrung dieser Heiligen wieder auf.
Ende des 18. Jahrhunderts haben die Wallfahrten und Bittgänge stark zugenommen. Deshalb wurde am 23. Januar 1804 eine staatliche Verordnung erlassen, mit der „alle Wallfahrten und insbesondere auch die althergebrachten Lokalkreuzzüge verboten wurden“.[13] So wurde z. B. einem Gesuch der Pfarrei Zeilarn vom Landgericht Eggenfelden nicht entsprochen, die an einem Sonntag einen Bittgang anmeldete. Auch ein Antrag der Pfarrei Tann, eine Wallfahrt nach Schildthurn machen zu dürfen, wurde abgelehnt. Als Ursache wurde angeführt, dass bei früheren Kreuzgänge sich das Landvolk nicht gut aufführte und die Wirtshäuser mindestens so gerne besuchten wie die Kirchen.
Unter Pfarrer Kaspar Kamel wurde im Mai des Jahres 1837 das 600jährige Kirchenjubiläum gefeiert. Sicher kamen in diesem Jahr viele Wallfahrer zum Gnadenort Schildthurn.
Unter Pfarrer Kaspar Kamel wurde im Mai des Jahres 1837 das 600jährige Kirchenjubiläum gefeiert. Sicher kamen in diesem Jahr viele Wallfahrer zum Gnadenort Schildthurn.
Die 700-Jahrfeier 1937 konnte nicht begangen werden, weil vermutlich das Hitlerregime keine Genehmigung für dieses christliche Fest erteilt hat. Aber 10 Jahre später, am 10. Oktober 1947, wurde dieses 700jährige Jubiläum feierlich begangen. Am Freitag und Samstag kamen bereits Pilgerzüge der umliegenden Pfarreien in die festlich geschmückte Kirche.
Unter Pfarrer Anton Stillreich wurde am 31. Mai 1987 die 750-Jahrfeier in Schildthurn feierlich begangen. Seit der Reformation wird die Mutter Gottes besonders verehrt. Diese Wallfahrtskirche wurde das ganze Jahr über von vielen Einzelpersonen und Wallfahrern besucht und die Gottesmutter um Hilfe angefleht.
Die Gläubigen brachten aus Dank für die Erhörung ihrer Anliegen Votivtafeln, insbesonders im 18. und 19. Jahrhundert, die in der Kirche angebracht sind. In der Nacht vom 31. August auf den 1. September 1987 wurde in die Kirche eingebrochen und dabei wurden 36 unter der Empore angebrachte Votivtafeln gestohlen.
Diese wohl aus dem 17. Jahrhundert[14] stammende Votivtafel hat folgenden Inhalt: „Einem Müller zu Zeilarn ist ein 2‑jähriges Kind in Türkenbach gefallen und ertrunken. Als die Mutter sich verlobt gehabt nach Schildthurn, ist es wieder lebendig worden.“
Die von einem volkstümlichen Maler im frühen 19. Jahrhundert angefertigten Votivtafeln sind Zeugnisse für frühere Wallfahrten im 16. und 17. Jahrhundert. Es sind Nachweise dafür, was der Glauben bewirken kann.
Der stattliche Hochaltar dürfte Mitte des 17. Jahrhunderts entstanden und aufgestellt worden sein.
Hinter diesem Altar sind Freskogemälde mit Szenen aus dem Leiden Christi noch gut sichtbar an der Ostwand der Kirche gemalt. Diese spätgotischen Malereien stammen von einem unbekannten Meister aus der Zeit um das Jahr 1510.
[1] Gottanka Josef, Chronik der Gemeinde Schildthurn, 2003, S. 10
[2] Haushofer Josef, Kirchen der Pfarrei Zeilarn, 2000, S. 10
[3] Hochholzer Adolf, Wurzeln des Glaubens, Passau, 1992, S 65
[4] Hartmann Maximilian, Ostbairische Grenzmarken, 1959, S. 152
[5] Eckhardt Anton, Die Kunstdenkmäler von Niederbayern, Bezirksamt Pfarrkirchen, München 1981, S. 190
[6] Das historische Alter der Diözese Passau in ihrem gegenwärtigen Umfange, 1880, S 334
[7] Schweiger Otto, Heimat an Rott und Inn, 1981, Band XVI, S. 26
[8] Feldmeier Pfarrkirchen, handschriftliche Aufzeichnungen, vermutlich aus XIV. 231 Historische Blätter Ndb.
[9] Haushofer Josef, Dr., Geschichte von Eggenfelden, 1977, S. 292
[10] Stockner Alois, Öttinger Land, 2008, Band 28, S. 319
[11] Staatsarchiv Landshut, BezA/LR 164/14, Nr. 1089
[12] Bleibrunner Hans, Heimat an Rott und Inn, Folge 1967, S. 12 ff.
[13] Weber J. Dr., Heimatblätter zum Rottaler Anzeiger, Nr. 6. Juni 1930
[14] Haushofer Josef, Dr., “Der Bauer in Not“, Votivbilder aus dem Rott- und Inntal, Pfarrkirchen, 1992, S. 35